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 Alois Rainer ist kein Mensch, der viel Aufhebens um sich macht. Der Mann ist Niederbayer, da hat man es nicht so mit dem Blenden. Kein Wunder also, dass der Metzgermeister bisher nur einmal größeres Aufsehen verursacht hat: vor zehn Jahren. Da formte er zusammen mit Kollegen die längste Weißwurst der Welt. 825 Meter wurde die Wurst lang. „Das große Zuzeln“ schrieben die Zeitungen über ihre Berichte. Seitdem hat man von Alois Rainer in Berlin nichts mehr gehört - aber das dürfte sich jetzt ändern.

Der 48-Jährige ist Direktkandidat der CSU im Wahlkreis Straubing. Sein Vorgänger holte dort bei der Wahl 2009 mehr als 55 Prozent der Erststimmen. Nach menschlichem Ermessen wird Rainer also in den nächsten Bundestag einziehen. Und weil er nicht nur Bürgermeister von Haibach, sondern auch Bruder der CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist, dürfte er dort einige Beachtung finden. Geschwister in einer Fraktion, das ist in Berlin eine Rarität. Zurzeit gibt es nur die Kauder-Brüder von der CDU - und die liefern mit ihrem Zwist allerlei Berichte.

Muss sich jetzt also auch die CSU Gedanken machen? Grund für einen selbstbewussten Auftritt hätte Rainer allemal. Der Mann ist schon seit 17 Jahren Bürgermeister, zuletzt wurde er mit 98 Prozent im Amt bestätigt. Außerdem ist er ein erfolgreicher Unternehmer, sein Betrieb hat 33 Mitarbeiter.

Hasselfeldt macht sich trotzdem keine Sorgen: „Ich sehe derzeit keine Probleme, und wüsste auch nicht, welche es da geben soll“, sagt die CSU-Spitzenkandidatin. Eine Vorzugsbehandlung werde ihr Bruder in der Fraktion aber auch nicht bekommen: „Wir haben ein gutes Miteinander, aber es muss jeder seinen Weg alleine gehen - und er wird ihn sicher auch gehen.“ Rainer sieht das ähnlich. Einen „Riesen-Respekt“ habe er vor der Erfahrung seiner älteren Schwester, sagt er. Außerdem sei doch klar, dass er sich als Neuer erst mal hinten anstellen müsse. Als Gast hat Rainer schon einmal eine Sitzung der Unionsfraktion verfolgt. Um die Zypern-Hilfe und die Frauenquote sei es damals gegangen, sagt Rainer. Er sei heute noch begeistert davon, wie souverän die Kanzlerin und seine Schwester in der Sitzung aufgetreten seien. Der Stolz des kleinen Bruders.

 
 

Bereits der Vater und der Mann Hasselfeldts saßen im Bundestag – jetzt kommt auch ihr Bruder

Mit dem Einzug des Metzgermeisters ins Parlament geht aber auch die Erfolgsgeschichte des Hasselfeldt-Clans weiter. Vermutlich gibt es keine Familie in Deutschland, die enger mit dem Bundestag verwoben ist als die der Landesgruppenchefin. Schließlich saß auch schon Hasselfeldts Vater für die CSU im Bundestag, genauso wie ihr Mann Wolfgang Zeitlmann. Jetzt kommt also auch noch ihr Bruder in die CSU-Landesgruppe. Aber damit nicht genug: Zeitlmanns Schwiegersohn Thomas Krüger saß für die SPD im Bundestag. Und Zeitlmanns Tochter Ulla kandidiert gerade für die Grünen - im alten Wahlkreis des Vaters. Bunter und politischer könnte eine Familie kaum sein. Die Hasselfeldts bringen es schon jetzt auf 66 Mann-(und Frau-)Jahre im Bundestag.

Da stellt sich natürlich die Frage, wie es dazu kommen konnte. Und wie so ein bunter Haufen miteinander umgeht. Grüne und CSU passen ja so gut zusammen wie die Alligator-Schildkröte Lotti und der Oggenrieder Weiher. „Als ich meinem Vater gesagt habe, dass ich zu den Grünen gehe, hat er nur gesagt: So a' Schmarrn“, sagt Ulla Zeitlmann. Steine in den Weg gelegt habe er ihr aber nicht. Im Alltag gehen die beiden pragmatisch mit ihren Differenzen um. Der Vater würde für ein gutes Stück Fleisch Pilgerreisen unternehmen, die Tochter ist Vegetarierin. „Wir gehen trotzdem zusammen in den Biergarten“, sagt Ulla Zeitlmann. „Aber er genießt Spareribs und ich eine Portion Radieschen - die Breze und die Maß Bier teilen wir.“

Die Stieftochter kandidiert gerade für die Grünen. Deren Schwager war SPD-Abgeordneter

Die Grüne schätzt aber auch die Gespräche mit Hasselfeldt. „Ich habe sehr großen Respekt und Sympathie für sie“, sagt Zeitlmann. Sie teile viele Werte mit der Landesgruppenchefin, etwa „Toleranz, die Bedeutung der Emanzipation der Frau oder den Glauben, dass Politik etwas bewegen kann“. Bei der Umsetzung dieser Werte hätten sie dann aber „meist unterschiedliche Vorstellungen“. Genau das mache die Sache aber doch spannend, findet Hasselfeldt. Die Diskussionen seien manchmal anstrengend, ja, aber man werde dadurch „auch ein Stück toleranter“. Und am gegenseitigen Vertrauen und Verständnis änderten sie nichts, findet die CSU-Frau. Vom Betreuungsgeld habe sie ihre Stieftochter aber noch nicht überzeugen können - „sie mich aber auch bei vielen ihrer Themen nicht“. Ulla Zeitlmann ist trotzdem voll des Lobes über ihre Familie: „Wenn alle mit so viel Respekt miteinander umgehen würden, wäre vieles in der Politik einfacher.“

 

Bleibt die Frage, warum aus einer Familie so viele Abgeordnete erwachsen. Alois Rainer glaubt, dass es an seinem Vater liegt. Der sei ja schon Bürgermeister im Ort gewesen, als die Kinder geboren wurden. „Da wächst du einfach mit der Politik auf.“ Bei Ulla Zeitlmann war es ähnlich, auch ihr Vater war vor seiner Zeit im Bundestag lange Bürgermeister. Politik sei den Kindern deshalb - anders als vielen Bürgern - nichts Fremdes gewesen. Gerda Hasselfeldt denkt, dass die Häufung in der Familie eher an der Wirtschaft liegt, die ihr Vater betrieb. „Als wir klein waren, hatten wir kein Wohnzimmer - da hat sich alles in der großen Küche des Gasthauses und in der Gaststube abgespielt“, sagt die CSU-Politikerin. „Wir hatten kein abgeschottetes Familienleben, es fand im Gasthaus statt.“ Der Christbaum sei nicht im Wohnzimmer, sondern am Stammtisch in der Stube gestanden. „Wir wuchsen ja in der Öffentlichkeit auf“, das habe alle geprägt. Hasselfeldt lernte in der Wirtschaft auch früh den richtigen Umgang mit schwierigen Männern - in der Politik ist das kein Schaden.

Einfach war es für Hasselfeldt trotzdem nicht. Ihr Vater war noch vom alten Schlag. Frauen in der Politik, das war ihm lange ein Graus. Für ihn waren das „Krampfadergeschwader“. Auch sonst war der Alte manchmal eigen. Hasselfeldt setzte sich trotzdem durch. Manche glauben, dass sie dabei auch die Erfahrungen gesammelt hat, wegen derer sie es jetzt schafft, so gut mit Horst Seehofer klarzukommen.